Wie können vom Aussterben bedrohte Tierarten wieder in heimischen Gebieten gefördert werden? Das vom Naturfonds «Salzgut» der Schweizer Salinen unterstütze Projekt «Biodiversität im Melerfeld» des Natur- und Vogelschutzes Möhlin zeigt, wie das geht. Es unterstützt die Landwirte ganz gezielt bei der Umsetzung konkreter Umweltschutzmassnahmen. Bei einer Begehung vor Ort überprüfen die Projektverantwortlichen den Erfolg dieser Massnahmen. Dazu braucht es gute Ohren, Geduld und einen Feldstecher.
«Es ist verdächtig ruhig», meint Markus Kasper, Co-Präsident des Vereins ‘Natur- und Vogelschutz Möhlin’ (NVM). Ihm ist die Enttäuschung anzusehen. Es ist 7 Uhr morgens, ein sonniger Samstagmorgen. Wir befinden uns auf dem ‘Melerfeld’, einem landwirtschaftlich genutzten Gebiet zwischen Möhlin, Wallbach und Zeiningen im unteren Fricktal des Kantons Aargau. Eigentlich müssten wir vielfältiges Vogelgezwitscher zu diesem Zeitpunkt hören. Doch es ist beunruhigend still.
Markus Kasper gehört mit Martin Hohermuth zu einem von sieben Teams, die an diesem Morgen ein sogenanntes Avimonitoring durchführen. Dabei geht es darum, die verschiedenen Vogelarten in diesem Gebiet zu erfassen. «Kartieren» nennen es die Ornithologen, weil auf einer Karte genau eingezeichnet wird, wo man welche Vogelart gesichtet hat, ob diese gesungen hat und ob es sich um ein Männchen oder Weibchen handelt.
Zu wenig Insekten
Wir laufen auf bestehenden Wegen im Zickzack durch das Gelände, um so möglichst lückenlos die Reviere der verschiedenen Vogelarten zu erfassen. Im Fokus steht die Feldlerche. Es handelt sich bei ihr um eine sogenannte Indikatorart. «Wenn es ihr gut geht, geht es auch vielen anderen Tierarten des Kulturlandes gut», erklärt Markus Kasper.
«Vor zwanzig Jahren hatten wir noch 30 Brutpaare gezählt, 2019 waren es nur noch zwei», so Kasper. Der Grund dafür: Die Vögel finden für die Aufzucht ihrer Jungen nicht mehr genügend Insekten. «Die intensive Nutzung des Ackerlandes und der Einsatz von Pestiziden haben den Insektenbestand stark reduziert», so der Naturschützer. Ein weiteres Problem: Viele Wiesen werden sechs bis acht Mal pro Jahr gemäht. Für die Feldlerche, als Bodenbrüter, der sichere Tod. Und dann gibt es noch (zu) viele Katzen und Füchse im Feld, die eine Lerchenbrut nicht verschmähen.
Jährliche Erfolgskontrolle
Das ehrenamtliche Engagement der sieben Beobachterteams gehört zum Projekt «Biodiversität im Melerfeld» (BiM). Dieses will vier seltene oder bereits vom Aussterben bedrohte Tierarten wieder in heimischen Gebieten ansiedeln: Feldlerche, Steinkauz, Kreuzkröte und Wildbienen. Begleitend dazu sollen vermehrt Buntbrachen angelegt werden, auf denen verschiedene Ackerblumen wachsen können. Mit der Kartierung der verschiedenen Vogelarten überprüft der NVM jährlich, ob das Projekt zum gewünschten Erfolg führt.
An diesem Samstagmorgen scheint dies zunächst nicht der Fall zu sein. Plötzlich aber bleibt Markus Kasper stehen. «Jetzt höre ich eine Feldlerche.» Und tatsächlich fliegt eines dieser seltenen Exemplare über das Feld. Sofort markiert Kasper auf der Karte die Kürzel FEL+. Das Kreuzchen steht für Gesang. «Damit wissen wir, dass die Feldlerche hier ihr Brutrevier hat.» Die Begeisterung im Team 2 ist deutlich spürbar. Insbesondere als kurz darauf ein Steinschmätzer gesichtet wird. Markus Kasper erfasst den Zugvogel mittels den von der Vogelwarte Sempach vorgegebenen Symbolen. Ein Männchen erhält über dem Kürzel einen Oberstrich, das Weibchen einen Unterstrich.
Pilotprojekt für die Schweiz
Auf dem weiteren Weg durch das Melerfeld wird deutlich: Die grossen Ackerbauflächen bieten noch zu wenig Biodiversität. Markus Kasper zeigt auf eine Brache mit zwei Buschgruppen. «Davon gibt es viel zu wenig hier im Melerfeld. Wir wollen deshalb die Landwirte dazu bewegen, mehr solcher Kleinstrukturen anzulegen.» Diese liefern nicht nur Nahrung für Insekten und Vögel, sondern bieten auch vielen Tierarten ein Zuhause.
Hier liegt denn auch das Besondere an diesem Projekt. Aufbauend auf dem kantonalen Projekt LABIOLA (Landwirtschaft, Biodiversität, Landschaft) unterstützt es die Landwirte ganz gezielt bei der Umsetzung konkreter Naturschutzmassnahmen: sowohl finanziell als auch beratend. Markus Kasper ist überzeugt: «Was wir hier tun ist eine Art Pilotprojekt für die ganze Schweiz.» Seit dem Projektstart 2019 konnten 21 Betriebe, das ist mehr als die Hälfte auf dem Melerfeld, für eine Zusammenarbeit gewonnen werden. Und weitere werden dazu kommen. «Das ist ein Erfolg für uns und die Natur», freut sich Kasper.
Unterstützung der Landwirte
Entschliesst sich ein Landwirt oder eine Landwirtin bei «BiM» mitzumachen, dann wählen sie aus einem Menu drei konkrete Massnahmen zur Förderung der Biodiversität aus, z. B. die Erstellung von Brachen, Kleinstrukturen oder die Aufwertung von Feldscheunen. Für die Umsetzung erhält der Betrieb dann die nötigen Unterstützungsgelder. Landwirtschaft und Naturschutz gehen hier also Hand in Hand.
Deshalb freut man sich beim NVM auch über die finanzielle Unterstützung durch den Naturfonds «Salzgut» der Schweizer Salinen, welcher Projekte für den Natur- und Landschaftsschutz in den Regionen fördert, aus denen das heimische Salz stammt. Im Gebiet zwischen Rheinfelden und Möhlin wird schon seit 1848 Salz gewonnen. In den kommenden Jahren soll nordwestlich von Wallbach, auf dem Nordfeld, ein weiteres Gebiet für die Salzgewinnung erschlossen werden. Eine Gefährdung für die Biodiversität? «Nein, im Gegenteil», ist Markus Kasper überzeugt. «Die Salzgewinnung bringt Struktur in die Felder, z. B. durch die ökologisch aufgewerteten Zufahrtswege. Diese fördern die Biodiversität und bieten gute Bedingungen für Bodenbrüter, wie die Feldlerche», so Kasper.
Es geht aufwärts
Nach rund zwei Stunden ist die Begehung beendet. Die sieben Teams treffen sich für ein erstes Fazit: Neben Bachstelze, Hausrotschwanz, Neuntöter und Steinschmätzer wurden mindestens vier Feldlerchen gesichtet, zwei mehr als letztes Jahr. «Es geht aufwärts», meint Markus Kasper.
Von einem Erfolg des Projekts will er aber noch nicht reden, dazu ist es nach drei Jahren noch zu früh. Auch soll noch die Auswertung zusammen mit der Vogelwarte Sempach abgewartet werden. Eines ist für den Naturschützer jetzt schon klar: «Es braucht mehr Insekten, deswegen sind weitere Biodiversitätsflächen dringend nötig.» Nur dann kann ein Ziel von BiM erreicht werden: «Wir wollen bis zum Abschluss des Projekts 2027 mindestens zehn Feldlerchen-Paare angesiedelt haben.» Und mit ihnen werden hoffentlich auch weitere Tierarten folgen, die das Melerfeld wieder beleben könnten – dies wohl auch zur Freude der erholungssuchenden Menschen.